Warum Simulation in der Steuerungstechnik kein Schwachsinn ist

Warum Simulation in der Steuerungstechnik kein Schwachsinn ist

Warum Simulation in der Steuerungstechnik kein Schwachsinn ist 889 500 Michael Eberle

So ein Schwachsinn! Das ist die Antwort mancher Kollegen, wenn es um die Themen 3D-Simulation, digitaler Zwilling oder virtuelle Inbetriebnahme in der Steuerungstechnik geht. Tatsache ist, dass viele dieser Kollegen aber nicht genau wissen, was hinter dem Thema 3D-Simulation steckt und welche Vorteile sich für Steuerungsprogrammierer daraus ergeben. Die Möglichkeiten sind bahnbrechend – wenn man sich denn traut…

Mein Zugang zur Simulation

Ich habe lange Zeit als Regelungstechniker für Präzisionsmessgeräte gearbeitet. Jeder, der ernsthaft Reglungstechnik betreibt, simuliert, und zwar lange bevor überhaupt eine Zeile Code geschrieben wird. Zuerst werden mathematische Modelle der Regelstrecke erstellt. Diese Modelle ermöglichen es erst, mit Hilfe schlauer Algorithmen effiziente Regelungen zu entwerfen. Die Tatsache, dass Regler und Regelstrecke als mathematisches Modell vorliegen, macht eine Simulation des gesamten Regelkreises naheliegend: Die Regelung wird am Modell der Regelstrecke simuliert, sprich getestet. Und testen heißt, den simulierten Regelkreis mit allen erdenklichen Störungen zu torpedieren, Modellparametern an die Grenzen zu bringen, Einschaltverhalten unter verschiedensten Bedingungen auszuprobieren, sogar Rechenungenauigkeiten im Regler werden in der Simulation getestet. Erst wenn wirklich sichergestellt ist, dass die Regelung wie gewünscht funktioniert, wird Code geschrieben und an der realen Regelstrecke getestet.

Und nun raten Sie mal: Die Regelung funktioniert dann auch tatsächlich in der Realität! Natürlich ist in den meisten Fällen ein Feintuning der Regelparameter notwendig denn das mathematische Modell bildet die Realität meistens nur näherungsweise ab. Aber die Struktur des Reglers, das Einschaltverhalten, die Reaktion auf Störungen, das alles funktioniert!

Die mathematische Modellierung einer Maschine?

Steuerungstechnische Aufgaben erfordern in den meisten Fällen kein mathematisches Modell. Hier ist Ingenieurskunst und logisches Denken gefragt. Steuerungstechniker kennen ihre Maschine und sind in der Lage, mit einem Pflichtenheft und einem Elektroplan SPS-Programme für die komplexesten Maschinen zu erstellen. Da meist bereits parallel zur mechanischen Fertigung der Maschine programmiert wird, kann das Steuerungsprogramm während der Entwicklung nur rudimentär getestet werden. Richtig getestet wird bei der Hausinbetriebnahme oder, wenn nicht anders möglich, beim Kunden.

Stopp. Beim Kunden? Das muss man wirken lassen.

Ist es wirklich so, dass wir SPS-Programme erst ganz am Schluss, nämlich dann wann die Maschine vollständig aufgebaut wurde, testen können? Viele Gespräche mit Steuerungstechniker und Führungskräften in dem Bereich haben mir eines bestätigt: Niemand will freiwillig ein bestehendes und funktionierendes SPS-Programm ändern, vor allem nicht, wenn es über die Jahre gewachsen ist. Eben weil Änderungen und deren Auswirkungen erst an der Maschine getestet werden können. Trotzdem müssen wir genau das tun.

Warum ist das so?

Vollständiges Testen von Steuerungssoftware ist nicht gerade trivial. Die mechanische Fertigung und Montage von Maschinen dauert meist lange, d.h. die Programmierung der Steuerung startet bereits bevor die Maschine tatsächlich verfügbar ist. Die Maschinen sind oft groß und können wenn überhaupt nur teilweise im Haus aufgebaut werden. Bei einem Retro-fit bestehender Anlagen – also das Aufrüsten der steuerungstechnischen Komponenten – soll die Stillstandszeit so gering wie möglich gehalten werden, testen ist also nur eingeschränkt möglich.

Es wäre jetzt falsch zu behaupten, dass Steuerungsprogramme heute nicht getestet werden. Ganz im Gegenteil! Steuerungstechniker sind kreativ und haben sich in Ihrem Code diverse Simulationsmodi und Bausteine zurechtgelegt. Das Problem dabei? Es handelt sich meist um Strukturen, die nicht auf physikalischen Grundgesetzen basieren und daher nur schwer erweiterbar bzw. auch leider sehr fehleranfällig sind.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Nehmen wir ein Förderband mit je einer Lichtschranke am Anfang und am Ende des Förderbandes. Die Richtung des Förderbandes soll sich ändern, wenn eine Flasche die entsprechende Lichtschranke unterbricht. Ein einfacher Ansatz zum Testen der Funktion wäre nun ein Simulationsbaustein zu programmieren, der nach einer fixen Zeit die Signale der Lichtschranken entsprechend schaltet. Doch was ist, wenn sich die Größe der Flaschen ändert? Was, wenn zwei Flaschen auf dem Förderband sind?

Sie merken es schon oder? Damit wir SPS-Programme realistisch testen können brauchen wir unterm Strich die Maschine. Wir müssen Stellgrößen an Aktoren vorgeben können und brauchen realistische Rückmeldungen von Sensoren.

Physikbasierte Simulation in 3D

Oder würde uns auch eine simulierte Maschine weiterhelfen, die sich aus Sicht der Steuerung genau wie die reale Maschine verhält? Eigentlich ja! Moderne Simulationsprogramme ermöglichen uns genau das. Wir können ohne spezielles Simulations-Know-how Maschinen digital und in 3D zum Leben erwecken und mit der realen Steuerung verbinden. Sogar Safety-Signale sind mit der simulierten Maschine möglich. Hier bietet uns die Maschinensimulation also die Möglichkeit, unser SPS-Programm vollständig zu testen. Simulationsmerker und spezielle Anpassungen am Programm sind nicht mehr notwendig. Manche nennen es virtuelle Inbetriebnahme, andere digitaler Zwilling. Ich sehe darin eine neue Ära im Engineering von Steuerungen.

Müssen wir jetzt wirklich was tun?

Meiner Meinung nach ein ganz klares JA! Die Maschinen, die wir bauen, werden von Generation zu Generation effizienter. Bei einem Blick in unser Projektarchiv bin ich auf eine Maschine gestoßen, deren erste Generation nun zehn Jahre alt ist. Ein Vergleich mit der aktuellen Generation zeigt folgendes:

WasÄnderung
Taktzeit100 % mehr Durchsatz
Anzahl mechanischer Freiheitsgrade100 % hinzu
Qualitätssicherung100 % Kontrolle mit Bildverarbeitung
Reduktion der Rüstzeit durch automatische AbläufeNeu hinzu
Unterstützung der Anlagenbediener im FehlerfallNeu hinzu
BetriebsdatenerfassungNeu hinzu
Anzahl Funktionen und Funktionsbausteine im SPS-Programm200 % hinzu
Sicherheitsprogramm in der SPSNeu hinzu

Warum zeige ich dieses Beispiel? Es macht eines ganz klar deutlich und da stimmen Sie mir sicher zu: Maschinen werden weiter entwickelt. Sie werden effizienter. Die Software übernimmt mehr Aufgaben. Sie wird komplexer.

Und jetzt sind wir wieder beim Thema Simulation. Damit wir nachhaltig gute Steuerungssoftware programmieren können, müssen wir umdenken – es braucht einen Paradigmenwechsel: Wir müssen anfangen, Steuerungssoftware zu testen, während wir sie programmieren. Und nicht erst bei der Hausinbetriebnahme, oder schlimmer, beim Kunden! Das Ziel muss es sein, mit einer vollständig getesteten Steuerungssoftware die Inbetriebnahme zu starten. Selbstverständlich sind dann noch Anpassungen an den Parametern erforderlich – die Simulation spiegelt die Realität eben nur idealisiert wieder. Aber wir wissen zu Beginn der Inbetriebnahme, dass Abläufe, Fehlermeldungen, Rezeptverwaltungen, usw. funktionieren. Und glauben Sie mir, schlafen tut es sich mit dem Wissen wesentlich besser 🙂

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    Michael Eberle

    Dipl.-Ing. Michael Eberle studierte Elektrotechnik an der TU Graz und leitet bei Eberle Automatische Systeme die Abteilung für Modellierung und Simulation. In seiner Funktion ist er unter anderem für die Entwicklung einer intelligenten Software zur Erstellung und Simulation modellbasierter digitaler Zwillinge verantwortlich.

    Autor: Michael Eberle

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